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Dr. Călin Georgescu im Interview mit Michael Friedrich Vogt. Die rumänische Nachhaltigkeits-Revolution als Zukunftsmodell für die westliche Welt Mitte Dezember finden in Rumänien Wahlen statt. Da die Parteien an Glaubwürdigkeit bei den Wählern stark eingebüßt haben, gibt es aus den beiden größten Parteien des Landes, den Liberalen und den Sozialdemokraten, eine bemerkenswerte Initiative, einen parteilosen Experten von untadeligem Ruf als Premierminister küren zu wollen. Bei dem vorgesehenen, künftigen Premier, Dr. Călin Georgescu, handelt es such nicht nur um einen ausgewiesen Umweltexperten, der Nachhaltigkeit jenseits von Sonntagsreden wirklich ernst meint, sondern der ein eigenes Konzept einer „Nachhaltigkeitsrevolution” für Rumänien vorgelegt hat, einen Entwurf einer humanen, postkapitalistischen Gesellschaft, in der nicht Gier, Profit und Wachstumswahn dominieren. Alle reden heute von nachhaltiger Entwicklung. Sie sind UN-Experte für nachhaltige Entwicklung und leiten ein Institut in diesem Bereich. Was wurde in diesem Sinne in der Welt bis heute getan? Fast nichts. Seit dem Weltgipfel in Rio im Jahre 1992 enden bis heute alle großen internationalen Treffen mit einer Antwort auf die Frage, wie wir den Konsum entwickeln sollten. Nichts Konkretes wird leider über die nachhaltige Entwicklung gesagt, bloß Gerede ohne eine reale Grundlage. Die Welt von heute leidet unter Gier und Verrat. Der Umweltschutz bedeutet nicht nur, wieviel Waldfläche wir konservieren oder welche Tierart wir schützen usw. Es bedeutet auch, wie ich mit den großen Unternehmen wie Nestle, Coca Cola usw. kämpfen kann, die den Planeten und die Naturressourcen für ihren Gewinn regelrecht ausplündern. Diese würden Ihnen erwidern: Die Menschen wollen doch konsumieren. Ja. Sicher. Jedoch in Maßen. Der Boden kann unsere Bedürfnisse decken, aber er kann unserer Gier nicht standhalten. Ich glaube, daß wir uns wünschen sollten, aus dem Glück der anderen leben zu wollen, und nicht aus ihrem Leid. Afrika zum Beispiel ist nicht arm, andere machen den Schwarzen Kontinent arm, indem sie seine Naturressourcen rauben. Und um dies machen zu können, lösen sie verschiedene Konflikte aus. Europa dagegen befindet sich in einem Zustand der Lethargie, in einer Art von intellektuellem und moralischem Tod. Die Europäische Union war und kann noch ein großes und großzügiges Projekt des Friedens und des Wohlstandes für alle Menschen dieses Planeten werden. Jedoch wegen des völligen Mangels an politischer Leadership, wurde sie zum Anhänger einer fehlgeleiteten, von den Konzernen bestimmten Politik, die zu Blockaden, Unsicherheit und ganz allgemein zur Unzufriedenheit ihrer Bürger führt. Großbritannien hat inzwischen die Konsequenzen gezogen. Hat sich das Königreich mit dem Brexit isoliert? England hat sich nicht isoliert, jedoch versucht es, sich auf einer gewissen Weise zu distanzieren in der Hoffnung, bessere Abmachungen treffen zu können. Sie wissen was folgen wird, falls die Dinge auf dieselbe Weise weiterlaufen wie jetzt – der sichere Untergang - mit erhöhter Geschwindigkeit. Die Engländer haben die Währungsunion noch vor der politischen Union abgelehnt, und damit hatten sie sicherlich recht. Ich wünsche ihnen viel Glück bei den Brexit-Verhandlungen, jedoch zweifle ich am Erfolg des Exits, da die heutigen Probleme der EU im neoliberalen Ansatz der Wirtschaft und der Gesellschaft wurzeln, der eben durch die britische Ader nach Europa gelangt ist und der weiterhin auf der Insel hochgeschätzt wird, nachdem er das bekannte Desaster auf dem Kontinent verursacht hat. Wenn wir tiefgründig die Lage analysieren, würde ich sagen, daß wir uns Tag für Tag von unserer eigenen Natur entfernen – im Grunde von der Natur der Menschlichkeit. Wir haben keine Zeit mehr für uns, für andere Menschen, wir haben keine Zeit mehr zum Träumen, zum Lieben. Kurz: Wir leben nicht mehr für uns. Alles geht in einem raschen Tempo vor, welches von dem Profit der Unternehmen beeinflußt ist, wir leben im Rhythmus der Bilanzaufstellung. Und fast alles, was informationstechnisch in den Medien herumirrt, ist nichts als Manipulation, bzw. ein fortwährender Bluff, der auf der großen offenen Bühne der gefangenen Gesellschaft vorgeführt wird. Eine moderne Sklaverei hoher Klasse. Sie sagten, daß das Projekt „Nahrung, Wasser, Energie“ für Rumänien entworfen sei, jedoch könnte es auch ein Modell für andere Nationen werden? Ich bin der Meinung, daß die Rumänen eine besondere Rolle in der Welt einnehmen sollten und können, da sie „das romanische Volk mit orthodoxer Religion sind, das Element, welches die Kette zwischen Abendland und Morgenland abschließen sollte“. Das Gespräch führte Michael Friedrich Vogt.